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      11.5.2008  
         
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        Alltagsleben im Mittelalter: Das Beispiel Nienover im Solling

Aus den meisten mittelalterlichen Städten besitzen wir für die Frühzeit ihres Bestehens im 12./13. Jahrhundert (fast) keine schriftlichen Nachrichten über die Lebensverhältnisse ihrer Bewohner. Selbst wenn solche vorhanden sind, betreffen diese in der Regel rechtliche Normen. Gegenständliche Zeugnisse der einfachen Sachkultur sind kaum erhalten und können fast nur durch archäologische Untersuchungen zutage gefördert werden.

Eine zentrale Rolle spielt dabei die Keramik, die in großen Mengen gebraucht, zerbrach, nicht recycelt wurde und im Boden erhalten blieb. Metall war in der Gewinnung und Verarbeitung sehr aufwendig und teuer, weshalb es in der Regel nicht in den Boden gelangte. Zu dem ist Eisen sehr korrosionsanfällig. Leder, Knochen und Holz sowie andere organische Materialien blieben in dem trockenen und sauren Boden nicht erhalten.

Bis etwa 1200 benutzte man Keramik fast nur für die Küche und Keller. Der kugelige Topf war das gängige Koch - und Vorratsgefäß des Mittelalters in Norddeutschland. Die kugelige Form war für unebene ebenerdige Herdstellen und offenes Feuer optimal in der Handhabung und Wärmeausnutzung.
Ab etwa 1200 vermehrte sich die Zahl der keramischen Formen und die technische Qualität zunächst langsam, ab ca. 1220 mit wachsender Dynamik. Mit der Erfindung des wasserdichten Steinzeugs gewann Westdeutschland im 13. Jahrhundert eine Spitzenposition in der alten Welt. Ab etwa 1250 stellte man auch im Reinhardswald und Solling Faststeinzeug her, das die heimische Tafel durch neue Formen von Krügen, Kannen und Bechern bereicherte. Die Formenvielfalt und Verzierungsfreude ( Rollstempel- und Eindruckdekore) erreichte im Laufe des 13. Jahrhunderts in den regionalen Töpfereien einen in Mitteleuropa einzigartigen Höhepunkt. Für den regionalen und überregionalen Handel mit einfachen Gebrauchsgütern gibt die Keramik vorzügliche Aufschlüsse. Geräte sowie Möbel- und Türbeschläge aus Eisen sind in einiger Zahl aus den Brandschichten von 1210/20 sowie 1270 erhalten. Ein größerer Teil wird Erzeugnis der einheimischen Metallurgie sein. In größerer Zahl vorhanden sind neben Nägeln Messer. Viele Objekte sind aufgrund der starken Korrosion schwer identifizierbar und können nur im Röntgenbild erkannt werden. Unter den Funden aus Buntmetall sind Relikte der Verarbeitung wie Schmelzen, Bleche, Gußstück z.B. vom Glockenguß, Schnallen, Gewicht (7,19 g = ½ Loth der Kölner Mark) und ein Waagenteil, eine Pilgerampulle, Pfannen und weitere Gefäßreste, sowie ein Griffel.
Silberverarbeitung ist durch roh zurecht geschnittene Bleche belegt, Fertigprodukte des Umlaufs sind 24 Münzen der Zeit in 1230/40 bis 1270, die wichtige Aufschlüsse über die regionale Wirtschaft vermitteln. Neben einem Helmstädter Brakteaten handelt es sich fast ausschließlich um Prägungen des Kölnisch-Westfälischen Währungsgebietes aus dem Gebiet westlich der Weser. Bemerkenswert sind ein englischer Penny aus Lauterberg von 1248 und noch ??? englischer Pennies aus Helmershausen. Sie zeigen weiträumige wirtschaftliche Verflechtungen an.

Als besonderer Fund sollen noch ein Ensemble aus einer keramischen Kanne und vier Glasbechern erwähnt werden, die wie durch ein Wunder die Brandkatastrophe um 1210 unversehrt in einem kleinen Holzkeller überlebten. Die formschönen mit Rippen eingeblasenen Ringen verzierten geschwungenen etwa 18 cm hohen Trinkgefäße sind die ältesten mutmaßlich im Weserbergland produzierten Gläser überhaupt.

Holz ist in der Regel allenfalls in verkohlter Form erhalten geblieben. Zumeist handelt es sich um Reste von Bauhölzern, überwiegend Eiche. Neben Balken und Ständern konnten mehrfach Bretter als Wand- und Deckenverkleidungen von kleinen Kellern nachgewiesen werden. Zu den Seltenheiten zählen Fragmente einer kleinen geschnitzten Daubenschale (Trinkgefäß) und ein großer Behälter aus einem Brunnen. Ähnlich vereinzelt sind bisher botanische Funde. Das wichtigste Getreide war, wie in diesem Bergland aufgrund der Wuchsbedingungen zu erwarten, Roggen, gefolgt von Gerste (Brauerei?) und Hafer (u.a. Pferdefutter).
Der anspruchsvolle und im Mittelalter teure und der Oberschicht bzw. der Festtafel vorbehaltene Weizen ist deutlich seltener. Weitere Anbaufrüchte waren Erbsen,

Nienover, Schleifstein aus Buntsandstein - 13. Jh.

Ein Vorratsfund von Leinfasern und Drehmühlen aus Sandstein dürften auf Ölgewinnung und Leinenherstellung hinweisen. Zahlreiche keramische Spinnwirtel belegen häusliche wie auch gewerbliche Textilerzeugung . Die auf den meisten Grundstücken nachweisbaren Brunnen werden der häuslichen und gewerblichen Wasserversorgung gedient haben.

   
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