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      11.5.2008  
         
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        Münzfunde aus Nienover und Münzen der Grafen: Politik und Wirtschaftsgeschichte im 13. JH

 


Münzfund mit Prägungen von 1248 bis 1270/77 - Denare aus Höxter/Corvey, Helmarshausen, Hofgeismar, Warburg, Volkmarsen und Brilon, Penny aus Canterbury und Brakteaten aus dem Weserraum sowie Mecklenburg


Bei den archäologischen Ausgrabungen in der Stadtwüstung Nienover fanden sich bisher 24 mittelalterliche Silbermünzen. Diese vermitteln Einblicke in Aspekte des Geldumlaufs, die anhand der wenigen aussagekräftigen Schriftquellen allein kaum zu gewinnen sind. 22 Münzen stammen aus einem flachen Keller, der bei der letzten kriegerischen Zerstörung der Stadt verbrannte. Die Münzen präzisieren das Datum des Ereignisses, das anhand der Keramik nur mit etwas mehr Spielraum einzugrenzen wäre auf nach 1263 und kaum nach 1277. Die Mehrzahl der Münzen stammt von Bischof Simon von Paderborn. Dieser war im gesamten Gebiet der Diozöse zu der Nienover gehörte als Territorialherr sehr aktiv und war lange Zeit Schutzherr des Stiftes Corvey. Von dort stammten allein 8 Denare mit dem Bischofsnamen, also mehr als ein Drittel der Münzen in dem Fundkomplex. Eine weitere Münze Simons stammt aus Hofgeismar, der wichtigsten Stadt des Mainzer Erzbischofs nördlich von Kassel, aus Warburg, der zweiten Hauptstadt des Bistums Paderborn und aus Volkmarsen, einer nicht unbedeutenden Corveyer Stadt. Wenn noch, was sehr wahrscheinlich ist, zwei Brakteaten (papierdünne, einseitige Prägungen) mit dem Kopf eines Abtes oder Bischof aus Corvey oder Höxter stammen, ist etwa die Hälfte der Münzen den damals bedeutendsten Orten im Oberweserraum zuzuordnen und bis zu zwei Drittel sind Prägung des Bischofs. Man kann dies mit einer ausgesprochenen Orientierung Nienovers nach Westen, insbesondere nach Westfalen begründen. Es könnte jedoch auch ein besonderer Anlaß diese Tendenz verstärkt haben. Etwa 1269 verkaufte Graf Ludolf von Dassel die Grafschaft Meiser-Schartenberg nördlich von Kassel (Zierenberg) an Bischof Simon und fast zur gleichen Zeit die Grafschaftsrechte im Gebiet um den Reinhardswald und die Diemel-Essel-Senke an den Mainzer Erzbischof.
Eine einzelne Münze stammt aus Brilon im kölnischen Sauerland. Bis 1230 besassen die Dasseler die nahgelegene Grafschaft Hocken und die Vogtei inklusive Kloster Grafschaft, mithin liegt auch hier ein Zusammenhang mit alten Beziehungen und Besitzungen der Stadtherren nahe. Ein weiterer Denar stammt aus Helmarshausen (Abt Conrad) er ahmt englische Sterlinge nach. Daß dieses Gepräge aus der Nienover am höchsten gelegenen älteren Stadt vor Ort geläufig war, legt der Fund eines bisher unbekannten Hälblings des gleichen Typs auf einem Straßenpflaster nahe dem Westtor nahe. Sogar englische Sterlinge liefen in Nienover um, wie das Exemplar aus Lauterburg von 1248 belegt.
Ein Brakteat mit Widderkopf im Perlkranz war bisher unbekannt. Er könnte aus Mecklenburg stammen, aber z.B. auch das Wappen des Corveyer Abtes zeigen, denn die Ausführung ähnelt dem o. g. Stück mit Bischofskopf. Schließlich fand sich noch in einem weiteren Keller ein Brakteat des Abtes Conrad von Helmstadt ( 1259-1267). Die Münzfunde aus Nienover werfen ein Schlaglicht auf den Münzumlauf einer kleinen Stadt in der Mitte des 13.Jahrhunderts. Übereinstimmend mit der politischen Ausrichtung der Grafen dominieren Prägungen aus dem westlich gelegten kölnisch-westfälischen Währungsgebiet. Sogar die für den Oberweserraum in jener Zeit wichtigen Handelsverbinungen nach England sind belegt. Die wenigen Brakteaten manifestieren die Lage im Grenzgebiet zu Niedersachsen. Der Helmstädter Brakteat ist ein bemerkenswertes Dokument von Beziehungen nach Nordosten. Jedoch fehlen alle sonstigen Gepräge aus dem benachbarten Südniedersachen und Hessen. Alle in Nienover gefundenen Münzen sind selten, mehrere waren bisher unbekannt. Feinwaagen und ein Gewicht (1/2 Loth der Kölner Mark) dienten u.a. dem Goldverkehr in einem Grenzgebiet verschiedener Währung.

Silberbrakteat eines Grafen Adolf von Dassel und Nienover aus der Zeit 1230 - Im Bogen des Stadttores das Hirschgeweihwappen der Grafen von Dassel - gefunden in Corvey


Unter den Münzfunden aus Nienover unterscheiden sich die wenigen den Grafen von Dassel zugeordneten Brakteaten recht deutlich. Es spricht einiges dafür, daß die gräfliche Prägetätigkeit um 1250 bereits eingestellt war, und sich auf einen relativ kurzen Zeitraum um 1200-1240 beschränkte, da sie vorher und nachher keinen Gewinn abzuwerfen versprach. Mehrere Brakteaten der Zeit 1210-30 mit Reiterdarstellung nach thüringisch-hessischem Vorbild werden infolge des Beizeichens Hirschgeweih dem Grafen von Dassel zugeordnet. Ein um 1230/40 entstandener Brakteat mit einer Stadtarchitektur wohl nach Hildesheimer Vorbild, aber dem Dasseler Wappen und der Umschrift ADOLFVS ist besonders hervorzuheben. Es ist durchaus möglich, daß weitere schrifltose Brakteaten ohne Beizeichen gräfliche Prägungen sind, und daß Neufunde bisher unbekannte Stücke zutage fördern. Es fällt im Gegensatz zu den in Nienover gefundenen Münzen auf, daß ausschließlich Brakteaten belegt sind. Ungesichert ist weiterhin der oder die Prägeorte. Theoretisch kommen Dassel, Markoldendorf, Northeim, Nienover und Schartenberg in Betracht. In Anbetracht der Bedeutung Nienovers als gräfliche Hauptresidenz wird diese favorisiert (Edelmetallverarbeitung ist nachgewiesen) - ohne die anderen Orte auszuschliessen. Es ist durchaus eine Emmission an mehreren Marktorten denkbar. Eine Wertrelation zur Moderne ist schwer herzustellen. Lebensmittel und Textilien etwa waren wesentlich teurer als heute, Löhne erheblich geringer. Von einem Bauernhof durchschnittlicher Größe waren z.B. 18 Denare als jährliche Pacht abzuliefern. Städtische Grundzinsen betrugen oft zwischen 2-12 Denaren, je nach Parzellengröße.

   
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